Ort- und Wurzellosigkeit, Illoyalität

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Antisemitische Abbildungen des Topos "Ewiger Jude"

Classics Einstiegstext

Um die Welt wandernde Heuschrecken, wurzellose Eliten und heimatlose Verräter – alles Varianten ein und desselben antisemitischen Verschwörungsmythos. Dieser geht auf eine Zeit zurück, in der Juden eine bedeutende Minderheit in europäischen Gesellschaften waren, von der christlichen Mehrheitsgesellschaft aber stark ausgegrenzt und diskriminiert wurden. Ihnen wurde vorgeworfen, keine echte Verbindung zum Land und den dort lebenden Menschen zu haben, da sie eben keine „Christenmenschen“ seien. Und schon war er geboren, der Mythos der heimatlosen Juden.

Fakten

Classics Fakten
  • Ursprung in der Ausgrenzung von Juden vor allem in den christlichen Gesellschaften Europas
  • Juden wurden nicht zu gleichwertigen Untertanen wie Christen
  • Daraus entstand in Umkehrung der Vorwurf, sie seien ihren Fürsten und Mitbürgern ggü. nicht loyal
  • Im Nationalsozialismus galten Juden als Volk ohne Heimat im Gegensatz zum deutschen Volk, das fest mit "Blut und Boden" verbunden sei
  • Heute vor allem in Bezug auf Israel zu finden: als Volk ohne Heimstatt hätten Juden keinen Anspruch auf einen eigenen Staat

Classics Abschnitte

Historisch waren Jüdinnen und Juden in den europäischen Gesellschaften eine Minderheit. Oft wurden ihnen viele Rechte nicht zuerkannt, die für die christliche Mehrheitsgesellschaft galten. Sie wurden somit als „anders“ markiert, was zu weiteren Ausschlussmechanismen führte. Infolge dieser Ausschlüsse wurde den Juden dann vorgeworfen, sie seien nicht loyal zu ihrem Fürsten, ihrem König, ihrem Staat. Dieser Vorwurf zieht sich bis weit in die Moderne hinein und wird in chiffrierter Form noch heute geäußert. Im modernen Antisemitismus, der Juden als eigene Rasse konstruiert, wurde das jüdische Volk dann als eines ohne Heimat und Wurzeln dargestellt, das nichts in den europäischen Gesellschaften zu suchen hätte. So entstand die Verschwörungstheorie des wandernden Juden, der wurzellos durch die Länder zieht. Oft wird dabei der Vergleich mit Heuschrecken bemüht, die über Felder herfallen, bis diese aufgefressen und zerstört sind. Die Juden sind in diesem Bild Zersetzer, die von Land zu Land, von Gesellschaft zu Gesellschaft ziehen, diese ausnutzen und vielleicht sogar zu Grunde richten, nur um danach unbekümmert weiterzuziehen.

Das ist natürlich Quatsch und ein Verschwörungsmythos, der entstanden ist, weil man sich Veränderungen und negative Entwicklungen in der eigenen Gesellschaft nicht erklären konnte. Die Juden, als die als fremd markierte Gruppe, waren einfach Sündenböcke, die sowieso schon viel weniger Rechte hatten. Im modernen Antisemitismus wurden solche Erzählungen dann zu einem Weltbild verdichtet, das sich bis heute als Grundlage zahlreicher Verschwörungsmythen hält.

Gerade im völkischen Weltbild der extremen Rechten werden Juden dann zu einem Volk, das keine Verbindung zu einer Scholle, einem Land oder Gebiet habe, das keine Heimat und damit auch keine Daseinsberechtigung habe. Solche Mythen werden oft bemüht, um Juden als nicht zugehörig zu einer Gesellschaft zu markieren oder Israel das Existenzrecht abzusprechen. Sie finden sich – mal implizit, mal sehr offen – in zahlreichen Verschwörungserzählungen, über globale Eliten, die heimat- und völkerlos die Geschicke der Welt lenken würden. 

Antijüdische Darstellung "Wandernder Jude"