Reichtum und Wucher

Die Hochfinanz gegen den Kleinen Mann, die Parasiten und Blutsauger von den Ostküsten dieser Welt gegen die hart arbeitenden Völker der Erde. In solchen Szenarien sind nicht nur immer alle Juden reich, sie sind auch gierig, geizig und gemein. Woher kommt diese Erzählung und warum erweist sie sich trotz aller Gegenbeweise als so haltbar?
Fakten
- Geht auf Ausschluss der Juden aus den Zünften zurück, was sie auf Handel und Geldverleih drängte
- Nach Aufhebung der Berufsbeschränkung blieb die Assoziation von Juden und Geld
- Im 19. Jahrhundert dann Vermischung mit rassistischen Zuschreibungen über Juden. Geld und Handel lägen ihnen im Blut
- Heute noch starke Assoziation und meist falsche von Juden mit Geld, Banken und Finanzwirtschaft
Diese Verbindung zwischen Juden und Geld oder finanzieller Macht ist ein altes antisemitisches Klischee, das Element vieler Verschwörungserzählungen ist. Der angebliche Reichtum ist dabei Erklärung für die unheimliche, große Macht der „Verschwörer“, ebenso wie deren Ziel.
Vom Pfandleiher an die Wall Street
Historisch galten Juden lange Zeit als von Gott bestraft (die sog. Gottesmordlegende), in Europa gehörten sie zu den ärmsten und politisch schwächsten Bevölkerungsteilen. Da es nur Christen erlaubt war, Land zu erwerben, waren Juden:Jüdinnen in die Städte gezwungen. Fast alle dort ausübbaren Berufe waren aber an die Mitgliedschaft in einer Zunft gebunden, welche nur Christen offenstand. Durch das christliche Zinsverbot war es allein Juden erlaubt, Geld gegen Zinsen zu verleihen. Auch wenn dies wenig Ansehen genoss, waren Kredite und Pfandleihen angesichts unvorhersehbarer und oft prekärer Bedingungen der gesamten Bevölkerung notwendig. Dieselben Bedingungen, seien es Naturkatastrophen, Krankheiten oder Ernteausfälle, führten nun mitunter dazu, dass Christen ihre Schulden nicht begleichen konnten. Die Aggression ob dieser schlechten Lage wandte sich nun aber nicht gegen Kaiser und Fürsten, die hohe Abgaben verlangten, ohne soziale und technische Entwicklung zu fördern, sondern gegen die jüdischen Geldverleiher, die als direkte Personifizierungen des Systems im wahrsten Sinne des Wortes angreifbar waren. Vor den Übergriffen und Pogromen konnten Juden sich nur retten, wenn sie eine entsprechende Beziehung zur Herrschaft hatten. Auch sogenannte Hofjuden dienten allerdings dem jeweiligen Herrn häufig als Blitzableiter für den Zorn des Volkes, sollte dieser sich doch einmal gefährlich nahe an die Macht heranwagen.
Hier entstand also die (negative) Assoziation von Juden mit Geld und Macht – und das, obwohl sie beides ja nicht selbst besaßen.
Unbegreifliches System, angreifbare Feindbilder
Für das “Funktionieren“ von Verschwörungserzählungen ist diese Möglichkeit, realitätsunabhängig ein bestimmtes Bild zu bestätigen, besonders wichtig. Die Nationalsozialisten zeichneten Juden als das mit der für den deutschen Geist undurchsichtigen und unbegreiflichen Finanzsphäre verbundene Gegenteil der konkreten „deutschen Arbeit“ und markierten „jüdische Banker und Kapitalisten“ als verantwortlich für soziale Missstände und Wirtschaftskrisen.
Dass es Monopolbildungen, illegale Absprachen und Geschäfte sowie Korruption gibt, ist kein Mythos. Dass es weltweit zusammenarbeitende Juden:Jüdinnen wären, die all dies zu ihren geheimen Zwecken einsetzen würden, ist es durchaus. Eng verbunden mit der Legende von der Jüdischen Weltverschwörung taucht die Erzählung von der angeblichen jüdischen Elite auf, die über globale Netzwerke nach Belieben Märkte, Volkswirtschaften und Börsen steuert – und damit direkt die Geschicke aller Menschen und Staaten.